Tütologie - Eine vielseitige Sammelleidenschaft
Die Hilfe bei Unwohlsein während einer Reise mit Bahn, Bus, Schiff oder Flugzeug
ist im deutschen Sprachraum bekannt als Kotz- oder Spucktüte. Im
gehobenen Sprachgebrauch wird die Tüte auch als Speibeutel oder als Luftkrankheitstasche bezeichnet.
Sammler
Der moderne Mensch von heute ist im Grunde seines Wesens
Sammler geblieben. Er sammelt Briefmarken,
Bierdeckel, Figuren aus Überraschungseiern oder Zollstöcke.
Und dann gibt es noch die Tüten-Sammler. Diese Sammler horten also Dinge,
die ihre Mitmenschen möglichst nicht in die Hand nehmen.
Tüten zu Sammeln ist derzeit einfach Kult.
Der selbstbewusste Tütologe fragt nicht mehr hinter vorgehaltener
Hand seine Freunde, Bekannten und Kollegen nach dem geschätzten Reisemitbringsel.
Das merkwürdige Hobby hat sich bereits herumgesprochen und so trudeln die Tüten
nach jeder Reise ganz selbstverständlich ein.
Eigene Reisen werden so geplant, dass mit möglichst unbekannten
Gesellschaften geflogen wird und viele neue Tüten zu
erwarten sind.
Es gibt den Sammler, der ausschließlich die selbst bereisten Tüten in
seine Sammlung einreiht.
Wieviel es wohl von diesen Sammlern geben mag ist schwer
zu sagen.
Dann gibt es die Sammler, die auch andere Wege akzeptieren um zu neuen Tüten zu bekommen.
Dieser Sammlertyp tauscht gern seine doppelten Tüten gegen neue Exemplare.
Dazu nimmt er per Internet, Mailing-Liste oder E-Mail Kontakt zu anderen Sammlern auf und wenn
man sich einig geworden ist werden die Tüten versandfertig verpackt und
mit herkömmlicher Post verschickt.
Sammler mit anderen Leidenschaften beteiligen sich als
Seiteneinsteiger bei diesen Tauschgeschäften. Dann werden Safety-Cards
oder Bierdeckel mit Airline-Logo gegen Tüten getauscht.
Weitere Quellen sind die Fluggesellschaften selbst. Diese werden mit einem
freundlichen Anschreiben gebeten, ein paar Tüten für einen armen Sammler zu spenden.
Auch die wenigen Tütenhersteller werden gern angeschrieben.
Die engagierten Sammler
haben einen erfahrenen Stab von Leuten engagiert, verteilt auf die wichtigsten
Flughäfen der Welt. Eingehende Flugzeuge neuer Gesellschaften werden
sofort um ihren wichtigen Inhalt erleichtert.
Hier müssen auch die einschlägigen Tauschbörsen erwähnt werden. Dort trifft man
Gleichgesinnte, fachsimpelt einwenig, lässt sich die exotischen Tüten
zeigen und tauscht. Bei solchen Anlässen wird dann auch schon mal
in das Portemonnaie gegriffen um die Sammlung um weitere
Prachtexemplare zu ergänzen.
Mittlerweile werden Tüten auch über das Internet-Auktionshaus
eBay ge- und verkauft.
Die Gründung
eines internationalen Verbandes dürfte demnächst erfolgen.
Das erste Buch zum Thema erschien im Jahr 1998.
Aufbewahrung
Der moderne Sammler verpönt Schuh- oder Windelkarton als
Aufbewahrungsort für seine Sammlung. Seine Tüten werden in
Klarsichthüllen fein säuberlich in Ordnern abgelegt oder kommen
in die Hängeregistratur. Doppelte Tüten haben ihren Wert als
hochwertiges Tauschobjekt und werden zumeist getrennt aufbewahrt. Für
den direkten Zugriff wird ein Ordnungskriterium benötigt. Hier hat sich
die alphabetische Reihenfolge nach den Fluggesellschaften bewährt.
Den Überblick über seine Sammlung bewahrt der Sammler
mit Hilfe des PCs. Es werden die verschiedensten Tabellen, Dateien, Datenbanken
oder Webseiten mit dem appetitlichen Inhalt gefüttert.
Da nun die
Gesellschaften des öfteren das Design ihrer Tüten ändern oder
auch schon mal den Hersteller wechseln, müssen für die eindeutige
Identifikation weitere Merkmale festgehalten werden:
Aufdruck mit Text und/oder
Logo, farbliche Nuancen, Angaben zum Material wie Papier, Pappe oder Plastik,
Verschlußvarianten wie Drahtverschluß, Klebestreifen oder gar
Kordel und der Tütenhersteller.
Tüten
Millionen von Tüten in Bahn, Bus, Schiff oder Flugzeug warten nur darauf
endlich gesammelt zu werden.
Die Tüte - ein Massenprodukt, technisch auf niedrigem Niveau, aber mit vielen
kleinen Raffinessen.
2,6 Millionen Stück verbrauchen die Gäste der Lufthansa
pro Jahr. 1,2 Millionen waren es bei der Swissair und 3,4 Millionen bei der
Air France.
Vermutlich nur ein sehr kleiner Anteil wird für seinen eigentlichen
Bestimmungszweck gebraucht. Die anderen werden zweckentfremdet eingesetzt,
meistens werden sie als Abfallbeutel benutzt.
Bei einigen Fluggesellschaften dient die
Tüte allerdings auch als Retour-Beutel für Filme oder einschlägige
Arzneimittel werden beworben.
Andere Tüten wiederum haben auf einer
Seite einen Spielplan abgebildet. Weit verbreitet sind auch Motive aus
der Tier- und Pflanzenwelt. Oder auch der Hinweis "Platz belegt".
Manche Tüten sind einfach nur sehr schön farbig gehalten. Gern benutzt
wird auch das entspannende Wolken-Motiv.
Das Standardformat der Papiertüte hat eine Breite von 125 Millimetern und
eine Höhe von 237 Millimetern mit Klotzboden und mit einem Füllinhalt von gut zwei Litern.
Abweichungen in alle Richtungen sind
verbreitet.
Wegen den vielen Kaugummikauern weltweit sind nun viele Tüten mit einer
Perforationslinie ausgestattet.
Oft passt Schrift, Farbe, Text und Aufmachung ganz präzise zu dem
Corporate Identity der Fluggesellschaft.
Die Schweizer Herstellerfirma ELAG verkauft 70 Millionen Tüten im Jahr,
Stückpreis drei bis fünf Cents.
Der Überlieferung nach wurde die
Spucktüte in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts auf einem
stürmischen Flug von Moskau nach Berlin erfunden. Den Durchbruch schaffte
sie dann in den fünfziger Jahren als die leimlose Verbindung von Papier
mit Polyethylen gelang.
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